Der Kleine Mann schläft märchenhaft gut …

Eines Tages sollten wieder Märchen vorgelesen werden. „Ach nein“, dachte der Kleine Mann, „nicht schon wieder so ein schreckliches Märchen, wo man verschluckt wird oder so!“

 

Das Märchen hieß: Der Wolf und die sieben Geißlein. Die Ziegenmutter ging aus und die Kinder sollten zu Hause bleiben und niemandem die Tür öffnen. Dem Wolf gelang es schließlich durch eine List, dass die Ziegenkinder dachten, es wäre ihre Mutter und öffneten die Tür. Schnell suchten sie ein Versteck in der Wohnung. Der Wolf fand sie aber alle und schluckte sie lebendig hinunter.

 

„Jetzt reicht es mir aber!“, rief der Kleine Mann. „Ihr mit euren Kinder-Verschluck-Märchen! So ein Blödsinn!“

„Sei doch still und höre dir erst einmal alles bis zum Ende an“, ermahnten die Kinder ihn.

Das Märchen ging so weiter: Nein, nicht alle hatte der Wolf gefunden! Die kleinste Ziege hatte sich ein gutes Versteck ausgesucht. Es war nämlich in den Uhrenkasten gekrochen und dort hatte der Wolf nicht nachgeschaut.

 

„Hurra!“, schrie jetzt der Kleine Mann, „das kleinste Zicklein hat es richtig gemacht! Seht ihr, die Kleinen machen es oft am besten!“

Da konnten die anderen Kinder nur zustimmen. Alle hörten das Märchen bis zum bitteren Ende an. Bitter war es allerdings nur für den Wolf. Die Geschwisterkinder wurden alle vom Jäger aus dem Bauch wieder herausgeschnitten und der Wolf bekam statt der Ziegen dicke Wackersteine in den Bauch. Als der Wolf dann durstig aus dem Brunnen trinken wollte, zogen die schweren Steine ihn in den Brunnen hinein und er ertrank darin. Ein schlimmes Ende für ihn, aber ein gutes Ende für die Ziegenfamilie.

 

Der Kleine Mann dachte dauernd an die kleine Ziege, die es geschafft hatte, sich vor dem Wolf zu verstecken. Ja, verstecken, das ist manchmal toll. Und der Kleine Mann war ein Versteck-Spezialist. Er ging durch das ganze Haus. Unten im Flur sah er dann die alte Uhr. Die hatte schon der Oma gehört und sie tickte sogar noch richtig. In einem Uhrenkasten aus Holz war das Uhrwerk angebracht. Man konnte die Holztür öffnen, um an einer Kette die Uhr aufzuziehen. Schwere Gewichte zogen dann langsam nach unten und dadurch liefen die Zahnräder in der Uhr gleichmäßig rundherum und zeigten die Zeit an.

 

Der Kleine Mann hatte jetzt eine Idee! Er schlüpfte leise in den Uhrenkasten hinein. Schnell holte er noch ein kleines Kissen und machte es sich dann richtig gemütlich. Das regelmäßige leise Ticken der Uhr machte ihn müde und schließlich schlief er ein.

 

Die Kinder fragten die Mutter: „Wo ist denn eigentlich der Kleine Mann geblieben? Wer hat ihn zuletzt gesehen?“ Niemand wusste es. Alle riefen laut nach ihm. Aber es kam keine Antwort. Das ganze Haus wurde durchsucht. Die kleine Freundin fing schon an zu weinen, die große Schwester suchte und suchte weiter und der große Bruder beteiligte sich auch daran. Sogar die Mutter und der Vater suchten das ganze Haus ab, und auch im Garten schauten sie gründlich nach.

 

Die ganze Familie war ratlos und traurig. Die kleine Schwester konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Die Uhr schlug bereits fünfmal: Es war jetzt schon fünf Uhr. Da trommelte mit einem mal etwas gegen die Tür im Uhrenkasten. Was war denn das? Da hüpfte der Kleine Mann vor der Glasscheibe auf und ab und klopfte drauflos. Schnell wurde die Tür aufgemacht und er kam herausgesprungen.

 

„Was ist das hier für ein ohrenbetäubender Krach? Nicht mal richtig schlafen kann man hier!“ empörte er sich. Durch die Glockenschläge der Uhr war er geweckt worden. Er wusste nicht, wo er war und kam völlig durcheinander. Fünfmal diesen schrecklich lauten Gongschlag dort in der Uhr. Die Ohren taten ihm richtig weh.

 

Alle waren aber erleichtert, dass der Kleine Mann wieder bei ihnen war. Er hatte ja ein so gutes Versteck gewählt, dass keiner ihn gefunden hatte. Aber wer in einem Uhrenversteck einschläft, muss sich nicht wundern, wenn er dann unsanft aus dem Schlaf gerissen wird.

 

„Wir können dir ja ein Bett im Uhrenkasten einrichten, dann kannst du bestimmt märchenhaft schlafen“, meinte die Mutter. Davon wollte der Kleine Mann aber gar nichts wissen. Stell dir vor, jede Stunde wirst du geweckt durch die dröhnenden Uhrenschläge! Und wie die kleine Ziege im Märchen das ausgehalten hat, möchte der Kleine Mann gar nicht wissen. Na, immerhin wurde er ja nicht von einem Wolf verfolgt.

Tja, Kleiner Mann, manchmal bedenkst du auch nicht alles!

Die Kinder fingen jetzt an zu singen:

Der kleine, kleine Kleine Mann, wie gut der sich verstecken kann …