Der Kleine Mann und das Klavier

Eines Tages bekam der Kleine Mann richtig Lust darauf, Klavier spielen zu lernen. Nun konnte er ja nicht auf dem normalen Klavierhocker sitzen und dann mit beiden Händen die Tasten herunterdrücken wie die Erwachsenen und die Kinder, die Klavier spielen lernen.

Also stieg er auf den Holzrahmen und sah sich die weißen und schwarzen Tasten von oben an. Behutsam rutschte er auf eine weiße Taste. Die senkte sich langsam, gab aber keinen Ton von sich. Er kletterte wieder auf den schwarzen Holzrand zurück und sprang dann auf die Taste. „Ding!“, tönte es da aus dem Inneren des Klaviers. Aha, so also funktionierte das. Er musste mit Schwung darauf springen, dann gab es einen Ton.

Aber immer wieder zurück zu klettern dauerte viel zu lange. So lief er die weißen Tasten einfach der Reihe nach ab. Und tatsächlich: Jetzt kamen unterschiedliche Töne der Reihe nach heraus. Zuerst war es ein hoher und hellklingender Ton, die wurden dann aber mit jedem Schritt tiefer und dunkler. Zuletzt gab es ein richtiges Brummen und er spürte dabei ein leichtes Zittern des Holzes.

Der Kleine Mann lief jetzt die Tasten rauf und wieder runter, immer hin und her. „Halt, wer macht hier denn einen solchen entsetzlichen Krach! Das kann man ja nicht anhören. Will da jemand das Klavier kaputtmachen?“ Der Vater war hereingekommen. „Was hab‘ ich hier gehört? Das hat mich sehr gestört!“ Der Kleine Mann dachte, dass der Vater wieder in Reimen sprach und sagte:

„Das wunderschöne 

Klaviergetöne!                                                                 

Und du nennst das Getöse?

Da werd‘ ich aber böse!“

„Also, Kleiner Mann, was du hier fabriziert hast war kein Klavierspiel, sondern ein Rauf- und Runterspielen der Tonleiter!“, versuchte der Vater ihm zu erklären. „Wie, was für eine Leiter denn? Ich stehe hier doch auf keiner Leiter!“, war der Kleine Mann erstaunt.

Der Vater erklärte ihm jetzt geduldig, was eine Tonleiter ist. „Damit fängt jeder Klavierspieler übrigens an“, meinte er. Zuerst muss man die Tonleiter spielen, rauf und runter!“ „Ja, das habe ich doch gemacht!“, fiel dem Kleinen Mann jetzt ein.

Weil man beim Klavierspielen aber nicht immer nur die Töne hören will, die direkt nebeneinander liegen, war es für den Kleinen Mann sehr schwierig. Er versuchte zwar, manchmal eine weiße Taste zu überspringen, aber eine Melodie kam trotzdem nicht dabei heraus.

„Kann ich denn nicht wenigstens die Melodie von „Der kleine, kleine, Kleine Mann“ spielen lernen?“, meinte er etwas enttäuscht. Ja, das konnte er versuchen, aber es klappte leider nicht so ganz. Die Abstände waren zu groß. Bei „kleine, kleine, Kleine Mann“ bekam er die Tonfolge noch gerade hin. Er musste fünfmal auf dieselbe Taste springen, das machte ihm viel Spaß. Dann musste er aber auf eine schwarze Taste springen und dabei rutschte er aus. Es gab einen schrägen Zweifachton und noch einen Klingelton von der Glocke an seiner Mütze hinterdrein. Und dann lag er da, mitten auf den Tasten des Klaviers. „Diese blöden rutschigen schwarzen Schrägtasten mit ihren Schrägtönen!“, schimpfte er.

Aber ihr kennt ja den Kleinen Mann! Dann sagte er: „So, jetzt muss ich mich von meinem anstrengenden Klavierspielen erst einmal ausruhen. Es ist hier so gemütlich!“

Na, das war natürlich reichlich übertrieben. Ausrutschen, auf den Tasten des Klaviers landen und dann noch behaupten, dass es ein gemütlicher Platz zum Ausruhen ist! So etwas kann sich aber auch nur der Kleine Mann ausdenken.

„Na, dann schlaf mal schön“, meinte die kleine Freundin, „du wirst dann schon geweckt – das Klavier ist nämlich ein ganz toller Wecker mit einer speziellen Weckmusik!“ Da zog der Kleine Mann es lieber doch vor, wo anders zu schlafen. Denn mit Klavierweckergetöse geweckt zu werden – was für ein schrecklicher Gedanke! Dabei ist das Klavier doch eigentlich ein ganz feines Instrument. Die große Schwester setzte sich an das Klavier und spielte mit zwei Fingern die bekannte Melodie:                                                                                                  

Der kleine, kleine Kleine Mann … und der Kleine Mann klatschte dazu immer genau an der richtigen Stelle. Der Kleine Mann strahlte: „Zum ersten Mal das Lied mit Klavierbegleitung! Toll!"