Spinnst du?

Eines Tages machte der Kleine Mann eine interessante Beobachtung. Er war nach dem Spielen draußen im Garten etwas müde geworden. Er legte sich unter einen Strauch ins Gras.                              

Da sah er eine Spinne. Sie hing an einem Faden, den sie von einem Ast zu einem anderen Ast gesponnen hatte. Sie kletterte den Faden entlang und fiel nicht herunter. Und jetzt sah er, wie sie einen weiteren Faden aus ihrem Spinnenkörper herausdrückte. Immer wieder krabbelte sie an dem Faden entlang. Am Ende drehte sie und drehte sie mit dem Faden, um ihn wohl zu befestigen.

Das dauerte eine ganze Zeit, aber dem Kleinen Mann wurde nicht langweilig. Er drehte sich auf die andere Körperseite und stützte seinen Kopf mit seiner Hand ab. So konnte er gemütlich liegen und die Spinne beobachten, die unermüdlich die Fäden spann. Jetzt konnte man schon sehen, dass die Fäden alle in eine Mitte zielten.

Als er sich noch einmal umdrehte, stieß er aus Versehen gegen den Strauch und – sssssit – fiel die Spinne runter! Aber nein! Sie fiel zwar ein Stück, aber sie hing an einem Faden! Das war ja besser als ein Fallschirm! Und jetzt krabbelte sie an diesem Faden einfach wieder hoch. Den Faden aber nahm sie gleich mit! Na so was Interessantes!

Da hörte er seine kleine Freundin rufen: „Kleiner Mann, wo bist du?“ Er krabbelte aus seinem Versteck und lief zu ihr hin. Gleich darauf rief aber die Mutter schon zum Essen und so liefen sie beide zusammen ins Haus hinein.

Beim Essen erzählten sich die Kinder, was sie zuletzt gemacht hatten. Die große Schwester hatte ein Bild gemalt, ganz sorgfältig. Es sollte nämlich in ihre Ferienmappe hineingeklebt werden. Einige Erlebnisse hatte sie schon aufgeschrieben und immer ein Bild dazu gemalt. Der Kleine Mann war neugierig und fragte, ob sie ihm nachher einmal das Bild zeigen könnte.

„Und was hast du gemacht, Kleiner Mann?“, fragte seine kleine Freundin, „ich habe dich so lange nicht gesehen. Du warst ja im Garten, ich glaube unter den Sträuchern dahinten. Wolltest du dich verstecken?“

„Nein“, antwortete er, „ich war nur ein bisschen müde und wollte mich ausruhen. Und dann habe ich eine ganz tolle Entdeckung gemacht!“

Jetzt waren alle ganz gespannt, was der Kleine Mann da wohl entdeckt hatte. Schlau wie er war, verriet er es aber nicht. „Morgen zeige ich euch, was ich entdeckt habe“, tat er sehr geheimnisvoll.

Am nächsten Tag hielt die kleine Freundin es nicht mehr aus vor Neugierde. Sie schlich leise in das Gebüsch. Und was sah sie? Nichts! Na, das Gebüsch natürlich, die Äste mit den Blättern. Aber das war doch nichts Besonderes.

Plötzlich hörte man ihren lauten Schrei aus dem Gebüsch: „Iiih, eine Spinne! Die wäre mir beinahe über meine Hand gelaufen!" Sie krabbelte schnell heraus und da kam ihr auch schon der Kleine Mann entgegen.

„Was machst du denn in meinem Busch?“, fragte er sie. „Dein Busch? Nein, der gehört meinem Vater!“, behauptete sie sofort.

„Ja klar, ich meine, das ist der Busch mit der Überraschung von gestern. Ich wollte dir doch die Überraschung zeigen.“

„Eine Überraschung? Da ist nichts zu sehen. Nur eine doofe Spinne, die wäre mir beinahe über meine Hand gelaufen. Ich wollte, ich hätte sie totgeschlagen!“, empörte sich die Kleine.

„Spinnst du?“ Jetzt war der Kleine Mann aber empört. „Das ist doch meine große Überraschung! Komm, ich zeige dir mal, was für ein tolles Spinnennetz sie gesponnen hat. Spinnen sie superinteressante Tiere!“

„Jetzt spinnst du aber!“, konterte die kleine Freundin. „Diese ekeligen Spinnennetze. Meine Mutter ärgert sich auch immer, wenn bei uns im Haus so viel Spinnenweben herumhängen. Die saugt sie dann immer mit dem Staubsauger weg.“

„Na ja, Spinnenweben im Haus sind ja nicht so gut“, gab er Kleine Mann zu. „Aber sieh dir hier einmal dieses tolle Spinnennetz an. Wie ein Künstler hat die Spinne gewebt. Sieh mal, da glitzern noch ein paar Tropfen.“ Die Sonne schien gerade durch die Äste und ließ das Spinnennetz aufleuchten. „Das sieht wirklich schön aus!“, flüsterte die kleine Freundin.

„Und nützlich sind sie auch noch!“, fügte der Kleine Mann hinzu. „Die Spinnen fangen doch Fliegen und Mücken.“

Da erinnerte sich die kleine Freundin, dass ihr großer Bruder ein Buch über Spinnen aus der Schule mitgebracht hatte. „Du, wir fragen ihn mal, ob er uns das Buch gibt. Dann schauen wir uns die Bilder an. Vielleicht liest meine Mutter uns auch etwas daraus vor!“

Und warum sagen wir eigentlich immer „Spinnst du?“, überlegte der Kleine Mann. „Das weiß ich auch nicht, aber wir können Papa mal fragen, was das mit den Spinnen zu tun hat.“

Sie schauten sich noch einmal das Spinnennetz an. Mitten in dem Netz saß jetzt die Spinne. Vielleicht musste sie etwas reparieren? Ja, Spinnen waren wirklich interessant.

„Morgen gucken wir noch mal nach, ob sie vielleicht etwas gefangen hat. Wir werden Spinnenforscher, okay?“, schlug der Kleine Mann vor.

„Abgemacht!“, rief die kleine Freundin.