Was man alles unter einen Hut bekommen kann …
Eines Tages wollte die Mutter der drei Kinder zur Schule fahren. Dort waren alle Familien der Schule zu einem Schulfest eingeladen. Die beiden Schulkinder waren schon ganz aufgeregt. „Wann fahren wir endlich los?“, fragten sie ihre Mutter immer wieder.
„Ich muss aber vorher noch etwas erledigen!“, erklärte sie den Kindern. Außerdem muss ich vorher noch bei den Großeltern vorbeischauen und auch noch etwas einkaufen. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles unter einen Hut bekommen soll!“
Der Kleine Mann überlegte: „Was meint denn die Mutter damit, dass sie alles unter einen Hut bekommen will? Sie trägt doch meistens gar keinen Hut. Und selbst wenn sie einen hätte, würde sie doch bestimmt nicht irgendwas darunter verstecken. Die reden manchmal komische Sachen, die Erwachsenen!“
Jetzt musste alles ganz schnell gehen. Alle sollten sich sofort ins Auto setzen. Im Laufschritt kam die Mutter dann heran. Schnell den Kofferraum aufgemacht, ein paar Sachen hineingeworfen und schon startete sie das Auto.
Der Kleine Mann wollte gerade rufen: „Du hast deinen Hut vergessen!“ Aber dann verzichtete er lieber darauf. Wer weiß, welchen Hut sie meinte. „Ich habe sie eigentlich noch nie mit einem Hut gesehen, das sieht bestimmt lustig aus“, überlegte er.
Nachdem alles erledigt werden konnte, kamen sie endlich bei der Schule an. O, was war da los? Viele Stände, an denen Eltern für die Kinder etwas vorbereitet hatten. Es gab Spiele, an einigen Tischen wurde gebastelt, Kuchen gab es bergeweise und verschiedene Getränke konnte man sich aussuchen.
Die kleine Freundin des Kleinen Manns wollte unbedingt zum Basteltisch. „Kommst du mit, Kleiner Mann?“, forderte sie ihren Freund auf. „Ja, natürlich! Was wird denn da gebastelt?“, war er jetzt neugierig geworden.
Einige Kinder kamen schon vom Basteltisch mit ihrer fertigen Bastelei. Und was hatten sie gebastelt? Einen bunten und ganz hohen und spitzen Hut! Oben an der Spitze war noch ein bunter Papierstreifen angeklebt und baumelte herunter. Es sah wie ein Schleier aus. Die Mädchen benahmen sich dabei wie feine Damen.
„Was sind das denn für komische hohe Hüte? Die sehen ja aus wie riesige Kegel, also wie die Hütchen beim Hütchenspiel“, meinte der Kleine Mann. Ein Mädchen erklärte: „Mit solchen Hüten kamen früher die ganz feinen Damen auf der Burg zu einem Fest. Die Ritter fanden das superhübsch. Und die Damen trugen ganz stolz ihren Hut wie einen Kopfschmuck. Solche Hüte hießen nannte man Hennin.“
Die kleine Freundin wollte sofort auch einen solchen Hut basteln. Sie ging zu den beiden Frauen, die den Kindern das Basteln erklärten. „Ich will den rosa-lila Hut basteln!“, sagte sie sofort. Sie hatte gesehen, welche Farben die Bastelkartons hatten.
Die beiden Frauen rollten den Karton so zusammen, dass er wie ein spitzer hoher Hut aussah. Er wurde zusammengeklebt und mit Klammern festgehalten. Man musste ein bisschen warten, bis der Kleber ganz fest geworden war.
Inzwischen schnitt die kleine Freundin Streifen aus Krepppapier aus. Die sollten oben angeklebt werden. Dann flatterte das Band so richtig schön im Wind herum. Und am Rand unten wurde auch mit diesem Papier alles umwickelt und festgeklebt. Das sah hübsch aus.
Zwischendurch gingen der Kleine Mann und seine kleine Freundin über den Schulhof. Sie bekamen einen Lutscher als Gewinn, als sie mit Tennisbällen auf eine Dosenpyramide geworfen hatten und dabei fast alle Dosen von dem Brett herunter gefallen waren.
Als sie gerade ein Stück Kuchen aßen und dabei eine Schorle tranken, erinnerten sie sich an den Hut. „Komm, wir holen jetzt den Hut ab!“, rief Leila und rannte schon los. Der Kleine Mann konnte mit seinen kleinen Beinen kaum mithalten. Warum musste sie denn immer so schnell rennen! Hätte er das gewusst, wäre er schnell auf ihren Pullover geklettert.
Jetzt aber rannte er über den Flur. Es waren so viele Menschenbeine, kleine und große, die auch noch durcheinander liefen, dass er im Zickzack-Slalom um die vielen Füße herumlief. Beinahe hätte sogar ein Fuß ihn erwischt. Zum Glück konnte er gerade noch entwischen. Das war ja richtig gefährlich hier bei den vielen Leuten, die natürlich überhaupt nicht auf den Fußboden guckten. Und die schon gar nicht darauf achteten, ob da vielleicht ein Kleiner Mann seinen Weg suchen musste.
Endlich hatte er sie gefunden. Er war ganz außer Atem und keuchte nur noch. Er hatte deshalb zum Glück auch keine Luft mehr zum Schimpfen. Und auch keine Lust mehr dazu, denn er sah jetzt seine kleine Freundin mit ihrem Hut! Das sah sehr lustig aus. So hatte er sie ja noch nie gesehen. Sie lief stolz mit dem Hut herum und wurde von vielen Leuten bewundert.
Jetzt wurde es dem Kleinen Mann aber zu bunt! Er kletterte rasch an ihrem Kleid hoch, schwang sich auf ihren Kopf, hob den Hut einfach ein wenig an und da saß er jetzt auf ihrem Kopf in der Dunkelheit.
Der Kleine Mann dachte: „O, jetzt weiß ich, was die Mutter gemeint hatte, als sie davon sprach, alles unter einen Hut zu bekommen!“ Aber da so in der Dunkelheit herumsitzen, das wollte er natürlich nicht. Immerhin war er dort oben ganz sicher vor den vielen Beinen, Füßen und Schuhen, die ständig ihm in die Quere gekommen wären.
Er lupfte ein wenig den Hut hoch und konnte jetzt von dort oben alles sehen. Das war lustig. Auf dem Bauch lag er oben auf ihrem Kopf und guckte unter dem Hutrand hindurch. Er flüsterte ihr zu: „Hallo, ich bin hier unter deinem Hut. Ich habe alles unter einen Hut gekriegt: Meinen Lutscher und mich!“
Die große Schwester kam gerade auf sie zu und fragte: „Wo ist denn der Kleine Mann geblieben? Hast du ihn nicht mitgenommen? Du musst auf ihn aufpassen, der wird doch sonst unter die Füße kommen. Pass auf, dass ihn niemand zertrampelt!“
Auch der Bruder kam inzwischen herbei und gleich darauf auch die Mutter. Sie war froh, ihre Kinder jetzt wieder zusammen zu haben. Die beiden fragten auch sofort: „Wo ist denn der Kleine Mann?“ Sie sahen sehr besorgt aus.
Da aber tönte der Kleine Mann unter dem Hut mit der lautesten Stimme: „Hallo, wir haben alles unter einen Hut bekommen!“ Die Mutter musste schallend lachen, weil sie noch daran dachte, wie sie heute Mittag gesagt hatte, sie müsste so vieles unter einen Hut bekommen und der Kleine Mann sie dabei so komisch angesehen hatte.
Erst als sie wieder alle im Auto saßen, stimmte der Kleine Mann diesmal selbst an: Der kleine, kleine Kleine Mann …