Ja oder Nein!

Eines Tages wurde es den Kindern in den Ferien langweilig. Der Vater sagte: „Langeweile, das ist etwas sehr Gutes. Ich wünschte, ich hätte mehr Langeweile. Aber ich habe immer etwas zu tun. Wollt ihr mir helfen?“

Nein, das wollte niemand. „Wir haben doch Ferien!“, ereiferte sich die große Schwester der kleinen Freundin des Kleinen Mannes.

„Ich weiß was, wir machen ein Spiel! Ich habe da eine Idee: Wir machen ein Ratespiel. Das geht so: Ich denke mir ein Wort aus und ihr müsst es raten. Ihr könnt mir Fragen stellen, aber ich darf nur mit „Ja!“ oder „Nein!“ antworten. Los, ich habe mir schon ein Wort ausgedacht.“

Ja, jetzt waren alle gespannt. Das könnte ja lustig werden. Also, man musste sich Fragen überlegen, die nur mit nein oder ja beantwortet werden durften.

„Ist es ein Schmetterling?“, fragte die kleine Schwester.

 

„Nein! Aber jetzt muss ich euch noch einen Tipp geben. Ihr müsst nicht sofort einen Gegenstand sagen, davon gibt es ja ein paar Millionen. So kommt ihr nie darauf, was ich mir ausgedacht habe. Ihr müsst eine Frage stellen, aus welchem Bereich etwas sein könnte. Ich nenne euch ein Beispiel: Ist es ein Mensch? Nein! Also dann weiß ich, es ist ein Tier oder eine Pflanze oder ein Gegenstand oder so. Kapiert?“

 

Tja, man musste erst einmal dieses Spiel richtig kennenlernen. Der große Bruder fragte: „Beginnt das Wort mit einem Vokal?“

"Nein!", sagte die große Schwester.


„Was ist denn ein Vokal?“, rief der Kleine Mann, „oder meintest du Lokal?“

„Ein Vokal ist ein Selbstlaut: a, e, i, o oder u!“, erklärte er ihm. „Also  beginnt es mit einem Konsonanten!“

„Was für Konsorten sind genannt? Ich verstehe nur noch Bahnhof!“, beschwerte sich die kleine Freundin jetzt.

 

„Konsonanten sind doch die Mitlaute: b, d, f, g, h, und so weiter!“, murmelte der große Bruder. Ja, er hatte in der Schule aufgepasst, aber jetzt half das auch nicht wirklich weiter.

 

„Von den 26 Buchstaben des Alphabets sind 5 Selbstlaute, also minus 5, es bleiben genau 21 Mitlaute übrig“, rechnete er vor.

„He, wir sind in den Ferien, wir wollen doch nicht Deutsch und Grammatik und Mathematik mit plus und minus machen. Wir sind jetzt in den Ferien und machen ein Spiel!“, meckerte jetzt der Kleine Mann.

 

Der große Bruder aber meinte: „Auch in den Ferien ist es nicht schlecht, wenn man zum Beispiel Lesen gelernt hat. Das macht auch in den Ferien Spaß. Ich freue mich schon auf heute Abend. Da lese ich etwas in meinem neuesten Buch oder Mama liest uns was vor, vielleicht sogar eine Kleine-Mann-Geschichte.

 

Und auch Mathe kann in den Ferien ganz nützlich sein, zum Beispiel, wenn wir in Urlaub fahren und man genau überlegen muss, wieviel Taschengeld man ausgeben kann, damit noch genug für ein leckeres Eis übrig bleibt.“

„Typisch großer Bruder!“, maulte die große Schwester, „du redest ja wie ein Lehrer! Und das noch in den Ferien! Los, wie spielen weiter!“

 

„Gehört das in die Schulzeit, oder in die Ferienzeit?“, fragte der Kleine Mann.

„Falsch gefragt, ich kann ja nicht mit ja oder nein antworten!“, meinte die große Schwester etwas genervt.

„Du kannst wohl fragen: Gehört das in die Ferienzeit?“

„Wollte ich ja gerade fragen!“, meinte der Kleine Mann.

„Ja!“, sagte die große Schwester.

 

„Hm, beginnt es vielleicht mit K?“, platzte der Kleine Mann heraus.

Die große Schwester sah ihn verblüfft mit offenem Mund an. „Volltreffer! Du Glückspilz! Da tippst du einfach auf einen der 21 Buchstaben und triffst gleich den richtigen Mitlaut!“

 

„He, du darfst doch nur mit ja oder nein antworten!“, rief jetzt die kleine Freundin.

Ihre große Schwester schluckte. „Ja!“, sagte sie.

„Ha, ich kriege das raus: Kaugummi, Kuhglocke, Komet und Kakerlake!“, rief der Kleine Mann ganz begeistert.

 

Die große Schwester runzelte jetzt die Stirn. „Immer nur eine Sache fragen ist erlaubt! Zu so vielen Wörtern kann ich doch nicht ja oder nein sagen. Na ja, jedenfalls für alles: Nein, nein, nein und nein! Und mit Raten kommt man doch nicht weiter. Ihr müsst die Fragen anders stellen!“

 

„Puh, was für ein kompliziertes Spiel. Aber wir spielen weiter, ich will gewinnen!“, war der Kleine Mann motiviert.

„Kannst du uns noch einen Buchstaben nennen?“

„Nein!“

„Willst du uns denn nicht weiterhelfen?“

„Nein!“

„Sollen wir mit dem Spiel aufhören?“

„Nein!“

„Kannst du denn auch was anderes sagen, als „Nein!“?“

„Ja!“

„Das ist ja ein blödes Spiel!“

„Nein!“


„Also: Ist es eine Pflanze?“

„Nein!“

„Ach so, kein Mensch, keine Pflanze, also ein Tier oder ein Ding.“               

Der große Bruder überlegte und hatte eine ganz krause Stirn dabei.

„K, K, K, was könnte das sein? Ich will das rauskriegen!"


"Kopf, nein, gehört zum Menschen. Ah, ich ahne was! Bestimmt ein Tier!“, dachte der Kleine Mann ganz aufgeregt.

„Fängt es mit Kro … an?“

„Ja!“

„Hurra, ich weiß es! Krokodil!“ Der Kleine Mann strahlte über das ganze Gesicht.

„Nein!“


„Was, das gibt’s doch gar nicht! Aber immerhin weiß ich jetzt, es fängt mit Kro an. Wenn es kein Krokodil ist, dann, dann, ja was fängt denn sonst noch mit Kro an? Krone? Ah, ich weiß es, ich weiß es: Krokodilledertasche! Krokodilstränen!“

„Nein! Nein!“

„Jetzt bist du schon wieder eine Neinsagerin! Kro … Krokant, Kroketten, Kronleuchter, ach krokoschisselaweng!“ Der Kleine Mann war jetzt so frustriert, dass er aufgeben wollte. Dieses kromische Wort, äh, komische Wort. Er hatte so langsam keine Idee mehr.


Er wollte gerade aufhören, da rief seine kleine Freundin: „Solche Spiele spielen wir aber nicht in Kroatien!“ Dahin sollte nämlich bald die Ferienreise der Familie gehen.

 

„Ja! Geraten! Es stimmt! Kroation war das Ratewort! Unser Ferienland!“

 

Die kleine Freundin guckte ganz verdutzt. Sie hatte schon lange nichts mehr gesagt und ständig den Kopf geschüttelt. Sie hatte gar nicht mehr mitgemacht und aus reinem Zufall sagte sie das richtige Wort!

Kross, äh, krass!


Jetzt rief der Kleine Mann: „So, und jetzt geht das Spiel aber weiter!“

 

„Wie, ein neues Wort raten?“, fragte die große Schwester zweifelnd.

„Nein, jetzt gibt es sogar Punkte. Man muss mit diesem Wort weitermachen. Wer das kann, der kriegt einen Punkt. Los!“

„Kroatienurlaub!“, rief der große Bruder.

„Ein Punkt für dich! Ein neues Wort angehängt. Super“

„Kroatienurlaubsfahrt!“, rief die große Schwester. Denn die durfte jetzt ja auch mitmachen.

„Ja, wieder ein Wort angehängt! Ein Punkt für die große Schwester!“

 

Alle waren jetzt fieberhaft am Überlegen.

Der Kleine Mann rief: „Kroatienurlaubsfahrtfreude. Das ist jetzt ein Punkt für mich."

 

Jetzt fiel aber niemandem ein Wort ein, das man noch daran hängen könnte.

Da rief der Kleine Mann: „Das nächste Wort führe ich euch jetzt mal vor! Passt auf!“

Er kletterte auf den Tisch, schob ein Kartenspiel zur Seite und fing an zu springen und dabei zu singen:

Das ist der Kroatienurlaubsfahrtsfreudentanz!“

Er wirbelte nur so herum, alle mussten schrecklich lachen und die große Schwester rief: „Kleiner Mann, du hast gewonnen!“


Inzwischen waren die Eltern hereingekommen. Sie wollten wissen, was da los war. Sie sahen den Kleinen Mann mitten auf dem Tisch hüpfen und springen und singen. Schließlich erklärten die Kinder unter lautem Lachen die ganze Geschichte.


Darauf meinte die Mutter: „Soso, dann hole ich euch allen jetzt mal aus dem Gefrierschrank ein Kroatienurlaubsfahrtsfreudentanzeis!“

Sofort fingen alle, auch die beiden Eltern, an zu singen:

Der kleine, kleine Kleine Mann, was der, was der nicht alles kann!

 

Na dann mal: Guten Kroatienurlaubsfahrtsfreudentanzeisappetit!