O wei

Eines Tages kam der Kleine Mann zu seiner Drei-Freunde-Familie. So nannte er die Familie manchmal heimlich, obwohl die ja ganz anders hießen. Aber den richtigen Namen hatte er einfach verpennt, der Penner. Na ja, macht ja nichts, er kannte sie eben sehr gut. Und mit den drei Freunden hatte er schon vieles erlebt. Und das Gute: Er durfte bei denen wohnen!

Und noch besser: Ein Mädchen, so groß wie er selber war jetzt auch da. Und dann natürlich die 3 normalen und richtig großen Kinder. Aber was heißt hier richtig? Was ist überhaupt richtig in der Größe? Die normal menschengroßen Kinder sagten: Du bist klein. Aber er antwortet dann einfach: Und du bist viel zu groß.

Na ja, Hauptsache, jeder ist mit seiner Größe zufrieden. Und das war er auch. Und dass er jetzt noch eine gleich große Kameradin hatte: umso besser! Es machte ihm jetzt nichts mehr aus, so klein zu sein. „Klein ist fein!“, sagte er manchmal leise.

Und dann passierte das Allerbeste. Und wisst ihr was? Was reimt sich auf allerbeste? Ja eben! Feste! Da beste der Feste ist das Weihnachtsfest. So was hatte er noch nie erlebt!

O wei - erst fand er die ganze Zeit einfach nur nervig. Da wurde gebacken. Hm, Kekse isst er ja auch gerne. Aber am nächsten Tag wurde wieder gebacken. Und gepackt. Und heimlich getan. Und ein Gerenne war das und ein ständiges Heimlichgetue und dazu das Getuschel. Wozu soll das alles bloß gut sein?

So richtig Zeit hatten die auch nicht für ihn. Er suchte sich einen Platz, wo er allein sein konnte. Ihm passte der ganze Kram nicht. Er wollte einfach schmollen.

Da kroch er in den Korb mit den Holzscheiten für den Ofen. Da war es wenigstens warm. Schwupp, war er oben und legte sich dann erst mal hin. Bequem war es ja nicht gerade, aber was war schon bequem in dieser verrückten Zeit. „O wei!“, seufzte er leise.

Seine kleine Freundin rief plötzlich: „Wo bist du, Kleiner Mann?“ Tja, jetzt hatte sie ihn endlich einmal vermisst. Schnell sprang er aus dem Korb heraus und rief „Hier!“

Als seine kleine Freundin bei dem Ofen angekommen war, rief sie: „Aber wo bist du denn? Ich habe deine Stimme doch gerade noch hier gehört!“

Tja, aber der Kleine Mann war schnell weggehuscht und die Treppe hinuntergerannt. Er wollte sich schnell verstecken. Endlich war wieder was los in diesem Haus. Da sah er eine Girlande und daran hing ein Strumpf. Was der da sollte? Keine Ahnung!

Vielleicht war die Wäscheleine ja schon voll und die Mutter hatte den letzten Socken einfach an die Treppengirlande gehängt. Also hinein in die Socke! Hier war es wenigstens nicht so hart, sondern kuschelig weich. „Wo bist du denn?“, hörte er jetzt wieder rufen. „Hier bin ich!“, schrie er aus Leibeskräften und ließ sich dann schnell wieder ein wenig in den Strumpf sinken.

Er hörte, wie oben die Tür aufgerissen wurde und die Kleine die Treppe hinunterlief. Sie blieb auf der halben Treppe stehen und sah durch die Treppengitter hindurch. „Hier habe ich ihn doch gehört!“, flüsterte sie. Tatsächlich war er auch genau unter ihr. Aber er blieb mucksmäuschenstill in seinem Socken hocken, der Schelm.

 

Das Versteckenspielen, das kannte sie schon, die Kleine. Dem Kleinen Mann machte es eine diebische Freude, dass sie ihn nicht so schnell fand.

Als sie enttäuscht in das Wohnzimmer lief, schlich er schnell hinterher. Wo sollte er sich jetzt verstecken? Ah, da war eine Schale mit lauter bunten Kugeln. Keine Ahnung, was man mit solchen Dingern macht. O wei - er rutschte sich zurecht und versank ein wenig in die Schale hinein zwischen lauter roten Kugeln.

Aber jetzt sah sie ihn! Sie lief zu ihm hin und schimpfte: „Jetzt hast du dich schon wieder versteckt! Aber jetzt habe ich dich entdeckt. Was willst du den zwischen den Weihnachtskugeln? Willst du auch an den Weihnachtsbaum gehängt werden?“

„O wei - was willst du mit mir machen? Mich aufhängen?“, rief er empört. Jetzt musste sie ihm erst mal klar machen, was mit den roten Kugeln passieren sollte. „O, bald ist doch Weihnachten!“, rief sie. Bald gibt es einen Weihnachtsbaum, daran werden die Kugeln gehängt. Es gab schon jede Menge Schmuck, extra für dieses Fest. Sie zeigte ihm Weihnachtsbäume aus Stoff. Jetzt konnte er es sich schon eher vorstellen.

Jetzt fing er an, immer mehr „Weihnachtszeug“ zu entdecken. So nannte er die schönen Sachen. „Sag nich noch mal ‚Zeug‘“, warnte sie den Kleinen Mann. Sonst bekommst du Weihnachten gar nichts geschenkt. „Was? Geschenke? Was für Geschenke? Für wen denn?“

Sie musste ihm erst mal alles erklären, dass jeder Geschenke bekäme zum Weihnachtsfest, weil der Geburtstag von Jesus gefeiert würde. Jedes Jahr um die gleiche Zeit im Winter. Sehr wichtige Leute waren damals von weit her gekommen, um das neugeborene Kind Jesus zu sehen. Sie hatten ihm ganz wertvolle Geschenke mitgebracht. Deshalb gibt es für alle zu Weihnachten Geschenke.

Jetzt war der Kleine Mann aber hellwach! Er guckte sich um, was es noch sonst alles Weihnachtliches zu entdecken gab. Gehörten diese Hirsche auch dazu?

Die Kleine erzählte von dem Brauch, dass Waldtiere und eben auch Hirsche zum Weihnachtsschmuck gehörten.

 In Norwegen heißen die Rentiere, die ziehen den Schlitten mit dem Weihnachtsmann. Sie fliegen sogar durch die Luft, um Kindern Geschenke zu bringen.

„Jetzt erzählst du aber Märchen!“, meinte der Kleine Mann. Ja, natürlich waren das nur Märchen. Aber die gehörten irgendwie auch zum Weihnachtstrubel dazu. Es musste eben alles anders und feierlich und märchenhaft sein.

So langsam fing der Kleine Mann an, sich für dieses Fest zu interessieren. Es duftete ja auch wirklich lecker und alles war toll geschmückt. Und Kerzen wurden angezündet. „Pass auf, Kleiner Mann, gehe nicht zu nahe daran, sonst fängt noch deine Mütze Feuer!“, riet sie ihm, als er sich ganz nahe an eine Kerze hinsetzte.

Es war so richtig gemütlich im Kerzenschein.

„Und was schenkst du denn eigentlich zu Weihnachten?“, fragte sie den Kleinen Mann so nebenbei. „Wie, was? Ich dachte, ich kriege Geschenke? O wei, Weihnachtsgeschenke muss ich machen?“

Der Kleine Mann war wirklich perplex. Was sollte er denn bloß schenken? Ihm wurde ganz komisch zumute. Man musste also auch den anderen etwas schenken? Da hatte er gar keine Ahnung, was er schenken könnte.

„Tja, da musst du dir mal Gedanken machen!“, riet die Kleine jetzt. „Hm, mal sehen …“, überlegte er. „Ach, ich weiß schon was: Ich kann ja ein Lied vorsingen als Geschenk. Ich kenne da ein ganz Besonderes, mit Klatschen und so.“

Sie musste lachen. „Okay, dann musst du aber vorher eine Geschichte erzählen oder sie aufschreiben lassen. Danach kommt dann dein bekanntes Lied. Und zum Schluss sagst du dann einfach: Frohes Fest! Das sagt man dann immer so.“ Puh, das Problem war jetzt auch gelöst:  

Er hatte ein Geschenk für die ganze Familie: Eine Geschichte!

 

Weihnachten konnte kommen!