Geht Herr-Mann mit?
Eines Tages war es soweit. Oder besser gesagt: So nah!
Was? Na – die Schule! Seine kleine Freundin kommt in die Schule! Nichts mehr mit Spielen am Vormittag und am Nachmittag und am Abend.
Nichts mehr mit spät ins Bett gehen und spät aufstehen! Nein, zur Schule muss man rechtzeitig ins Bett gehen, rechtzeitig schlafen, rechtzeitig aufstehen, rechtzeitig frühstücken, rechtzeitig aus dem Haus gehen. Ja, und alles recht zeitig. O Mann o Mann, Herr-Mann.
„Nee, so einen Stress mache ich gar nicht erst mit!“, empörte sich Herr-Mann. Die Lehrerin kann sich dann selbst was erzählen! Ich bleibe zu Hause!“
„Und was willst du dann den ganzen lieben Tag machen? Rumfaulenzen, warten, warten, bis die Schule beendet ist und ich endlich da bin? Dann muss ich erst einmal meiner Mutter erzählen, was ich erlebt habe, dann meiner großen Schwester und auch meinem Bruder und zuletzt meinem Papa. Der kommt nur zuletzt, weil der doch noch später von der Arbeit oder vom Feld kommt. Und dann muss ich arbeiten!“ Seine Freundin hatte einen richtigen Vortrag gehalten.
„Wie, was musst du arbeiten? Nachmittags auf dem Feld wie dein Papa, oder was? Und wann komme ich dran, wenn ich schon den ganzen lieben langen Tag auf dich gewartet habe?“ Herr-Mann war gar nicht einverstanden mit einer solchen Vorstellung.
„Tja, zuletzt kommst du dann. Ich muss nämlich erst einmal die Hausaufgaben machen. Und dann erst kann ich mit dir reden. Vielleicht bin ich aber dann auch schon zu müde und muss schlafen!“
Der kleine Herr-Mann war sprachlos. Diese blöde Schule. Die versauen einem ja das ganze Leben, alle Freude, und die Freundin ist auch noch weg und hat nicht mal Zeit für einen.
Gerade wollte er sich so richtig aufregen, da fragte seine kleine Freundin: „Du kannst ja mitkommen! Dann erlebst du alles mit!“
Das musste er sich aber erst einmal überlegen. Er war ja schon mal mitgekommen, aber das war nur einmal. Und das war die Vorschule. Interessant war das schon gewesen. Aber die richtige Schule? Konnte die überhaupt richtig Spaß machen? Hausaufgaben – puh! Und den ganzen Vormittag immer schön in der Schule sitzen? Er wurde schon bei dem Gedanken ganz hibbelig.
„Du kannst ja erst einmal zugucken. Morgen ist übrigens die Einschulung. Das wird richtig gut. Los, kommst du mit?“
Ja, die Kleine wollte ihn unbedingt mitnehmen. Das schmeichelte ihm natürlich. Er war also auch wichtig – nicht nur die anderen Kinder und die Lehrerin. Na ja, er konnte ja mal zugucken. Aus sicherer Entfernung wollte er beobachten. Er konnte dann ja immer noch entscheiden, ob er in Zukunft mit in die Schule kommen wollte.
„Ich komme mit!“, rief er jetzt. „Und ich weiß auch, was ich da tue!“
„Was willst du denn machen?“, fragte seine Freundin erstaunt.
„Ich nehme einfach mein Fernglas mit und beobachte aus sicherer Entfernung, was da los ist.“
„Du willst mit dem Fernglas zur Einschulung kommen?“ Ungläubig sah Leila ihn an. „Wie kommst du denn darauf?“
„Dann kann ich aus sicherer Entfernung beobachten, was da gespielt wird.“
„Ja, gespielt wird da immer etwas“, mischte sich jetzt die große Schwester ein. In der Schule haben die Viertklässler immer ein Puppenstück für die Erstklässler eingeübt und vorgespielt.“
Herr-Mann war jetzt neugierig geworden. Er holte sein Fernglas heraus und zeigte, wie man damit beobachten konnte.
„He du!“, rief jetzt seine kleine Freundin. „Du sollst nicht weit entfernt irgendwo stehen und dir alles mit dem Fernglas ansehen. Du sollst mitten dabei sein. Du bist doch so schnell und kannst so gut klettern. Los, ich nehme dich in meiner Schultüte mit und dann bist du dabei. Setze dich einfach auf meinen Schoß und gucke zu. Es wird dir bestimmt Spaß machen.“
Plötzlich kribbelte es ihm in seinem Bauch. Ein komisches Gefühl war das. Da sagte seine kleine Freundin: „Ich habe schon Bauchkribbeln vor Aufregung und Vorfreude! Zum Glück kommt der kleine Herr-Mann mit. Da fühle ich mich schon viel sicherer. Juchhu, jetzt freue ich mich auf die Einschulung!“
„Ja!“, rief Herr-Mann jetzt. Dann haben wir beide das Vorfreude-Bauchkribbel-Einschulungs-Gefühl! Jetzt freue ich mich auch. Gut dass ich dabei bin, nicht wahr?“
Tja, jetzt fühlte er sich mit einem mal wichtig und stark. Er konnte doch seine kleine Freundin nicht im Stich lassen! Er würde dabei sein. Auf ihrem Schoß. Und vielleicht sogar einmal zu ihrem Ohr klettern und ihr was ins Ohr flüstern: „Hab keine Angst, ich bin bei dir!“
Gut, dass er das nicht seiner kleinen Freundin so sagte. Die hätte bestimmt geantwortet: „Nee, ich habe keine Angst, ich bin aufgeregt vor Vorfreude!“
Abends konnten sie beide kaum einschlafen, so aufgekratzt waren die beiden. Sie unterhielten sich sogar im Bett über die Einschulungsfeier. „Ich bin gespannt, was in meiner Schultüte alles drin ist!“, wisperte sie. „Was für eine Tüte? Dieses spitze Ding, was du mal gebastelt hattest und dann als Hut aufgesetzt hast?“, erinnerte er sich.
„Nein, alle Kinder haben eine Schultüte, die sie im Arm halten. Und weißt du was? Innen drin sind Geschenke und Süßigkeiten. O, ich bin ja so gespannt.“
„Wenn das so ist, dann will ich auch zur Schule. Kriege ich dann auch so eine Geschenk-Süßigkeiten-Tüte? Als Hut brauche ich die spitze Tüte nicht, ich habe ja meine Mütze. Und die gebe ich nicht her.“
So ging es noch eine Weile weiter, sie wurden leiser, dazwischen waren schon Sprechpausen und schließlich fragte die Kleine: „Schläfst du schon?“ Da antwortete der Schelm: „Ja, schon lange! Ich träume gerade von der Einschulungstüte m m mit Sü Sü Süßigkei…
Kr-pitsche-pü… kr-pitsche-pü!“
Jetzt wusste sie, dass er wirklich schlief.
„Du kleiner Dummkopf!“, flüsterte sie, „die Frage ‚Schläfst du schon?‘ kann man doch gar nicht mit ‚Ja!‘ beantworten, denn dann schläft man ja ja gar ga gar n nich …“ Gleichmäßige Atemzüge verrieten, dass auch sie nicht mehr wach war.
Na dann: Gute Nacht – bis morgen!
Schlaft gut – morgen ist Einsch … sch … sch … sch …