Der kleine Mann bei den Pinguinen
Eines Tages war der kleine Mann mal wieder in der Schule gewesen. In einer Klasse. In der Pinguinklasse. Der Pinguin war das Klassentier und die Kinder wussten eine ganze Menge über diese Vögel. Sie konnten davon erzählen und erzählen. Wo die wohnten zum Beispiel. Nein, nicht der Zoo ist gemeint, sondern wo sie eigentlich wirklich wohnen.
Wie erstaunt war der kleine Mann, als er hörte, dass die Pinguine ganz tief unten im Süden am Südpol leben.
„Wie? Wenn man nach Süden fährt, wird es doch immer wärmer!“, staunte der kleine Mann. Er konnte es gar nicht glauben, dass im Süden alles kälter wird.
Seine kleine Freundin aber erklärte ihm: „Du hast recht, je weiter du nach Süden kommst, desto wärmer wird es. Wenn du weiter und weiter nach Süden reist, vielleicht mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug, kommst du in die heißeste Gegend: am Äquator. Da siehst du keinen einzigen Pinguin. Dann musst du noch weiter nach Süden reisen und was denkst du? Es wird langsam kälter, immer kälter. Schließlich landet man am Südpol.
Das heißt: Landen kann man da gar nicht. Nicht mit dem Flugzeug und erst recht nicht mit dem Schiff. Der Südpol ist nämlich in einem riesigen Land, fast so groß wie Australien oder Europa. Und weißt du was? Das Land hat kaum jemand gesehen.
Warum? Weil das ganze Land unter einer dicken, dicken Eisschicht liegt. Nur ein paar Forscher leben dort. Die müssen sich gegen die Kälte schützen. Also fast gar keine Menschen leben da.
Aber, nun kommt es: Genau da leben Pinguine. Und zwar Tausende und noch mal Tausende. Die stehen auf dem Eis und sogar wenn der kälteste Wind weht mit den tiefsten Temperaturen der Welt, stehen sie zusammen und überleben das. Und jetzt wird es total verrückt: In dieser Kälte stehen die Pinguine und – was denkst du? – auf ihren Füßen stehen die kleinen Pinguin-Küken! Sie sind aber vor der Kälte geschützt unter der flaumweichen Bauchfalte der Pinguin-Mama oder dem Pinguin-Papa.“
Der kleine Mann hatte gebannt zugehört. O nein, da wollte er auf keinen Fall hin. So eine Kälte – brrrr. Er schüttelte sich und schlich sich aufs Sofa und kroch in die warme Decke hinein. „Und die Pinguine bleiben da einfach so mitten auf dem Schnee in dieser fürchterlichen Kälte? O – wie gut, dass ich kein Pinguin bin.“
Nach einer Weile sagte er aber: „Trotzdem möchte ich eigentlich gern mal bei denen sein. So was Interessantes! Aber meine Decke müsste ich dabei haben und noch die Wärmflasche!“
Da
mussten alle lachen. Mit Decke und Wärmflasche an der Antarktis in dieser Schweinekälte – das hält niemand aus, der kein Pinguin ist.
Der kleine Mann war müde geworden. „Schluss jetzt mit diesen kalten Geschichten, ein Kuschel-Pinguin wäre mir lieber!“ Und was glaubt ihr? Er hatte schon einen plüschigen Pinguin entdeckt. Er sagte: „Ich geh schlafen in mein gemütliches warmes Bett.“
Heimlich stibitzte er den Plüsch-Pinguin seiner Freundin, schleppte ihn sein Bett, kuschelte sich ein mit seinem Pinguin und der Bettdecke, gähnte noch herzhaft und war in null-komma-nix eingeschlafen. Ihr kennt ja schon sein Schnarchen: krrrrr – pittje – püüüüü, krrrrr – pittje – püüüüü!
Und plötzlich sah er… Ja, was sah er ? Ah, eine Wolke! „Nimm mich mit, Wolke, nimm mich mit!“, rief er. Die Wolke schwebte runter und der kleine Kerl sprang auf die Wolke drauf. „Wohin soll ich dich tragen?“, fragte die Wolke. „Dahin, wo die Pinguine leben! Ich will sie besuchen!“
Hui, da stieg die Wolke hoch und höher und höher. Es wurde kälter und kälter, denn je mehr man nach oben kommt, umso kälter wird es. Aber – wie praktisch! Die Wolke war doch wie eine dicke, dicke Decke! Und die wärmte ihn.
„O, du kuschelige wolkige Kuschelwolke!“, rief er laut. Seine kleine Freundin erschrak. Sie war inzwischen auch ins Bett gegangen. Sie schaute zum kleinen Mann, aber der schlief ja schon! Leise hatte sie sich hingelegt und las noch im Nachttisch-Lampenlicht ein bisschen in ihrem Buch. Als der kleine Mann aber im Schlaf – äh, im Traum – diesen Ausruf tat, lief sie schnell zu ihm hin. Aber – der kleine Mann schlief ja immer noch. Der hatte doch glatt ihren Plüsch-Pinguin im Arm. „Ach so!“, flüsterte sie, „der träumt gerade. Was sagt der bloß für ein komisches Zeug!“ Sie nahm ihm den Pinguin nicht weg und schlich wieder in ihr Bett, zog die Decke zurecht und schlief auch ein.
Der kleine Mann aber segelte vergnügt weiter, immer weiter, höher immer höher. „Du bist einfach traumhaft“, sagte er zu der Wolke, „traumhaft weich! Wann sind wir endlich da?“
„Wir überqueren gerade den Äquator!“, antwortete die Wolke. „Wie, da soll es doch so schrecklich warm sein? Davon spüre ich gar nichts. Wenn ich deine Wolkendecke zurückschlage, ist es ja richtig kalt hier!“
„Ja, du kleiner Wicht, wir sind doch ganz hoch oben. In der Höhe wird es doch kalt und kälter, weißt du das denn nicht?“ Doch – jetzt wusste er es wieder.
Mit einem Mal wurde es so richtig windig. Sie treiben immer in eine Richtung. „Das ist der Jet-Stream“, wusste die Wolke. Wir sausen jetzt mit einer riesigen Geschwindigkeit dem Südpol entgegen.
Aber schließlich ging es hinunter, ganz langsam, immer weiter hinunter. Bald konnte man da unten etwas sehen. Berge, mit Schnee bedeckt. Tiefer und tiefer flogen sie. Die Wolke sagte: „So, jetzt kann ich aber nicht mehr viel tiefer fliegen. Gleich musst du abspringen, weil ich wieder höher steigen muss.“
Was bewegte sich denn da so flimmernd? Etwas Weißes mit schwarzen Streifen war dort zu sehen. Richtig! Es war eine Pinguin-Kolonie! Ein paar tausend Pinguine standen dicht beieinander. Zuerst hörte er ein Krächzen und ein Schreien. Aber schließlich konnte er sogar etwas verstehen. „Tschüß, ich lass dich jetzt los! Viel Spaß mit den Pinguinen!“, rief die Wolke und der kleine Mann segelte die letzten Meter hinunter. Zum Glück landete er direkt auf einem großen Pinguin.
Die Federn waren weich, so dass er sich nicht verletzte. Und auf den Schnabel konnte er wie auf einem Stuhl sitzen.
Der Pinguin staunte nicht schlecht, als er den kleinen Kerl so zwischen seinen Augen auf dem Schnabel sah.
Er schielte ihn an, schüttelte seinen Kopf und der Kleine Mann purzelte kopfüber in den Schnee hinein. Zum Glück war der Schnee weich, aber kalt, so kalt! Schnell arbeitete er sich heraus und sah zu dem Pinguin hinauf. Der schaute herunter. „Was machst du denn hier?“, fragte der auf pinguinisch. Wie toll, er konnte sogar pinguinisch verstehen.
Jetzt aber wurde dem Kleinen kalt, so richtig kalt! Er bibberte und zitterte am ganzen Leib. „Komm schnell hier unter meine Bauchfalte, da wird dir wieder warm!“, lud der Pinguin den kleinen Mann ein.
Der ließ sich das nicht zweimal sagen. Ja, tatsächlich! Hier war es warm. Hatte der Pinguin eine Wärmflasche dabei?
Als er sich gerade so richtig eingekuschelt hatte, bewegte sich etwas neben ihm. Was war das? Da sah ihm doch tatsächlich ein Pinguin-Baby, ein Pinguin-Küken, in die Augen.
„He, was bist du denn für einer?“, fragte die kleine Pinguin-Wollkugel verblüfft. Schnell erzählte der kleine Mann, woher er kam und wie er hier mit der Wolke hergeflogen war. So etwas hatte der Pinguinjunge noch nie erlebt. Er kannte bisher nur Pinguine und Schnee und Eis und – ja, noch etwas Glitschiges: Fisch – sein Frühstück, Mittagessen und Abendessen. „Wie schrecklich!“, dachte der kleine Mann. Aber für den kleinen Pinguin war es ein köstliches schmackhaftes Essen. Fisch – roher Fisch, vorgekaut von den Eltern.
Der kleine Mann hatte aber inzwischen auch Hunger und einen fürchterlichen Durst. Da wurde ihm ganz schnell ein kleiner Klumpen Schnee in den Mund geschoben. Der schmolz schnell in seinem Mund und rutschte in seinen Bauch hinein.
Aber wisst ihr was? Da steckte der große Pinguin ihm doch glatt etwas von dem vorgekauten Fisch in den Mund. Der kleine Mann hat sich dabei so erschrocken, dass er das Fischstückchen gleich hinunterschluckte.
Hm – eigentlich schmeckte es so schlecht nun aber wirklich nicht. Und der Hunger kniff nicht mehr so im Bauch.
Aber das war für den kleinen Mann zu viel. Er schrie so laut er konnte: „Iiiiii!“
Einen Moment später stand seine kleine Freundin vor seinem Bett und sagte lachend: „He, was findest du denn so schrecklich ekelig, dass du „Iiiiii“ schreist? Komm, stehe auf, wir sind schon zum Frühstück gerufen worden!
Ganz benommen lief der kleine Mann die Treppe hinunter. Äh – er war doch gerade erst bei den Pinguinen gewesen. Wie kam er denn nur hierher?
Am Frühstückstisch sagte er: „Aber ich will jetzt hier keinen Fisch essen!“ Alle lachten überrascht. „Wie kommst du denn darauf? Wir essen doch keinen Fisch zum Frühstück!“, meinte die Mutter.
„Und du sollst mir auch nichts vorkauen, Mama! Ich kann selber kauen!“
Die Kinder und die Mutter sahen sich gegenseitig an. Was erzählte der kleine Mann denn da für komische Sachen?
Schließlich erzählte er von seiner Reise. Da fing die ganze Familie erst an zu lachen und schließlich sangen sie ein Lied:
Der kleine, kleine, kleine Mann
mit Fantasie erzählen kann ….
Und bei dem Da-da-da-dam klatschten alle in die Hände.
„Ja, so klatschen auch die Pinguine!“, rief er.
Alle schüttelten nur den Kopf.
Dieser kleine Mann, was der nicht alles fantasierte!